Reproduktion:| Privat-Archiv | ErbGesAkte Erna Kronshage |
Foto: coloriert | Privat-Archiv - Quelle: unbekannt |
1934
erlassen die Nazis ein neues Gesetz. Es heißt: „Gesetz zur Verhütung erbkranken
Nachwuchses“.
Darin
wird festgelegt, dass Menschen mit besonderen seelischen Störungen oder
Behinderungen keine Kinder bekommen dürfen.
Man
nimmt damals nämlich an, dass die Kinder, Enkel oder Urenkel dieser Menschen
dann ebenfalls seelisch krank oder behindert sein können. Und das soll
verhindert werden.
Behinderte
oder Kranke sind nämlich für die Nazis nutzlos und überflüssig, denn sie kosten
nur Geld und bringen nichts ein.
Bei
der Durchführung dieses Gesetzes sind viele beteiligt: Ärzte, Anstalten, die
Polizei, Gesundheitsämter usw.
Kaum
jemand wehrt sich – alle machen mit oder müssen mitmachen…
Und
so hat der Anstaltsleiter von Gütersloh, Dr. Hartwich, für Erna Kronshage auch einen Antrag auf
„Unfruchtbarmachung“ geschrieben, denn die „Schizophrenie“ galt als eine dieser
vererbbaren Geistesstörungen bzw. seelischen Erkrankungen. Er fügt dem Antrag
Begründungen und Auszüge aus der Krankenakte bei.
Foto: coloriert | Privat-Archiv |
Reproduktion:| Privat-Archiv | Ausschnitte aus ErbGesAkte Erna Kronshage |
Der Vater von Erna hat noch das Sorgerecht, denn Erna ist noch nicht volljährig (damals mit 21 Jahren).
Er
wehrt sich gegen den Antrag auf Unfruchtbarmachung des Dr. Hartwich und legt
mehrfach Widerspruch ein.
Gleichzeitig
bittet er einige Male darum, Erna aus der Gütersloher Anstalt zu entlassen, da
er meint, Erna würde sich Zuhause am schnellsten wieder erholen.
Er
will Erna die Bauchoperation ersparen, die gemacht werden muss, damit sie nicht
mehr schwanger werden kann. Er ahnt aber vielleicht auch noch Schlimmeres …
Vater
Kronshage weiß, dass eine solche Operation
Erna noch mehr belasten würde.
Deshalb
entwickelt sich ein umfangreicher Briefverkehr zwischen der Anstalt, den
beteiligten „Erb-Gerichten“ und Ernas Vater.
Er
kämpft trotz angeschlagener Gesundheit für seine Tochter – und erzwingt mit
seinen Einsprüchen, dass sich mit dem Antrag zwei Gerichte nacheinander
befassen müssen …
Aber
leider – es ist ein ungleicher Kampf …
Foto: coloriert | Privat-Archiv |
Hier
trägt sie liebevoll einen kleinen Neffen auf dem Arm und erhofft sich bestimmt
auch für sich ein solches zukünftiges Lebensglück …
Da
sitzen am 29.03.1943 in der Heil-Anstalt Gütersloh ein Amtsgerichtsrat und zwei
Medizinal-Oberärzte am Tisch und bilden
damit das ausgelagerte mobile „Erb-Gericht Bielefeld“.
Diese
Herren beschließen im 20-Minuten-Takt über die „Unfruchtbarmachung“ und damit
das Lebensglück von insgesamt 11 Patienten.
Erna
Kronshage wird als dritter „Fall“ von 8.40
bis 9.00 Uhr „vorgeführt“: Ohne Anwalt oder Beistand wird über diese das ganze
Leben verändernde endgültige Maßnahme von diesen Männern entschieden …
Erna
ist sehr aufgebracht vor innerer Unsicherheit und Scham und muss deshalb bei
der Anhörung auch mal laut „auflachen“.
Auf
die Frage der Herren, warum sie denn lache, antwortet sie schlagfertig mit dem
Satz : „Mein
Lachen ist Weinen“ …
Und
in der Protokoll-Notiz zum Beschluss des „Erb-Gerichtes Bielefeld“ steht
dann: „In
der mündlichen Verhandlung machte Erna Kronshage
einen gespannten Eindruck und lachte ohne Grund auf. Sie äußerte, ihr Lachen sei Weinen“...
Mit
dieser Notiz glaubte das Gericht die von Vater Kronshage stark angezweifelte
„Schizophrenie“-Erkrankung Ernas nun mit bestätigen zu können.
Aber
die 20-jährige Erna lacht ja, um nicht Losheulen zu müssen, weil sie sich ihrer
Tränen vor diesen Männern schämen würde – denen sie da in solch einer heiklen
und persönlich tiefgehenden Fragestellung allein ausgeliefert ist…
Es
hilft aber alles nichts:
Nach
Beschluss vom 3. Juli 1943 des Erb-Obergerichtes in Hamm wird Erna Kronshage am 4. August 1943 im Krankenhaus
in Gütersloh von einem Dr. Stüwe operiert und „unfruchtbar“ gemacht.
Dabei
werden in einer Unterbauch-Operation die beiden Ei-Leiter unterbrochen, so dass
Erna nicht mehr schwanger werden kann.
Dr.
Stüwe notiert in seinem „Ärztlichen Bericht: „Die Wunde heilte in 7 Tagen ohne
Neben-Erscheinungen“.
Für
Erna war das alles sicherlich ein schrecklicher und tief belastender Einschnitt
– im wahrsten Sinne des Wortes …
Eingriff - illustrierendes Photo - Quelle unbekannt |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen