Foto: coloriert | Privat-Archiv - Quelle: unbekannt |
Jetzt
im Krieg ist die Arbeit auf einem Bauern-Hof ganz besonders wichtig, weil die
Lebensmittel so knapp geworden sind. Die Nazis haben dazu sogar entsprechende
Regelungen erlassen.
Da
wird jede Hand beim Pflanzen und Ernten und beim Vieh-Füttern und Kühe-Melken
benötigt – und auch Jugendliche wie Erna sind zum Dienst verpflichtet.
Im
Oktober 1942 verweigert aber Erna Kronshage ihre Mitarbeit auf dem Hof.
Sie
schimpft mit den Eltern und hat keine Lust. Sie will sich erholen, weil sie
sich schlapp fühlt von der schweren Arbeit, die nun auf ihr lastet.
Ernas
Mutter muss diese plötzliche Arbeits-Verweigerung – dieses „Blau-Machen“ – der
Gemeinde-Fürsorgerin melden.
Das
ist eine „Braune Schwester“ – die man so nennt wegen der braunen
Nazi-Schwesterntracht – und die hat die Aufgabe, solche Störungen zu überwachen
und weiterzumelden.
Denn
die Arbeit auf dem Hof muss ja getan werden.
==============================================
Amtsärztliche Untersuchung
Die
„Braune Schwester“ sorgt nun dafür, dass Erna zu einer ärztliche Untersuchung
ins Gesundheits-Amt muss.==============================================
Amtsärztliche Untersuchung
Hier
bittet Erna selbst den Arzt darum, in die Heil-Anstalt nach Gütersloh zu
kommen, um sich dort zu erholen und wieder arbeitsfähig zu werden.
Ihre
Schwester Frieda hat sie dazu überredet.
Die
war 3 Jahre vorher dort gewesen wegen eines seelischen Ausnahme-Zustandes nach
einem Streit am Arbeitsplatz.
Aber
nach 4 Wochen war Frieda dort wieder ganz fit – und die Zeit dort hatte ihr
gutgetan.
Ernas
Eltern sind aber gegen die Einweisung nach Gütersloh, weil Ernas Mitarbeit auf
dem Hof doch so dringend erforderlich ist.
=========================================
=========================================
Foto: coloriert | Privat-Archiv - Quelle: unbekannt |
Erna
ist ganz durcheinander und benötigt deshalb dringend eine Aus-Zeit.
Sie
schwatzt deshalb ihrem Vater die Einweisungs-Papiere vom Amts-Arzt ab – und
übergibt sie einem Streifen-Beamten der Polizei. Der parkt dort ganz zufällig
in der Nähe.
Und
so fährt man sie dann mit Polizei-Streife und in Begleitung der inzwischen
alarmierten „Braunen Schwester“ in die Heil-Anstalt nach Gütersloh.
Erna
setzt damit ihren Kopf durch – am Willen ihrer Eltern vorbei.
===========================================
Heil-Anstalt Gütersloh
Und doch: Sie versucht ja auch, etwas für sich zu tun – sie lässt sich nicht hängen. Sie zeigt, dass sie bei allem Gegen-Wind endlich wieder fit werden will
Heil-Anstalt Gütersloh
Foto: coloriert | Privat-Archiv - Quelle: zeitgenössische Postkarte |
Die
Heil-Anstalt Gütersloh ist damals eine Gesundheits-Fabrik – bestehend aus
mehreren Krankenhäusern und Heimen – mit weit über 1000 seelisch gestörten Menschen.
Drinnen
sind die Fluren lang und unpersönlich. manche Fenster sind vergittert
Nazi-Ärzte
und Krankenschwestern haben das Sagen.
Es gibt getrennte Frauen- und Männerbereiche.
Es gibt getrennte Frauen- und Männerbereiche.
Beide Fotos: coloriert | Privat-Archiv - Quelle: links: unbekannt -
rechts: ns-psychiatrie-pfalz
|
Für Erna ist der Aufenthalt dort eine riesengroße Umstellung: Das Krankenhausklima hat nichts von der Gemütlichkeit, die sie von Zuhause kennt. Es riecht nach Reinigungsmitteln und Medikamenten – und manche Menschen dort halten laut Selbstgespräche und sind verwirrt. Geschlafen wird in einem großen Bettensaal.
========================================
Schizophrenie
In
Gütersloh angekommen, führen Ärzte dort eine erste Untersuchung durch und
füllen Fragebogen aus.
Erna
ist aufgeregt und stammelt herum. Der Aufnahme-Arzt meint, sie sei abweisend
und schnippisch.
Aber
sie versteht diesen Aufwand nicht – und eine solche Situation macht ihr Angst.
Sie
will ja nur eine Auszeit zur Erholung und Wiederherstellung ihrer Arbeitskraft.
Die
Nazi-Ärzte dort aber bezeichnen Ernas Unlust und Arbeitsverweigerung jetzt
sogar als eine schwere Geistesstörung mit dem Namen „Schizophrenie“.
Sie
sind damals der Ansicht, Schizophrenie sei eine seelische Störung, die nur von
den Eltern und deren Vorfahren weitergereicht werden kann. Schizophrenie könne
sich nur entwickeln, wenn man dazu veranlagt sei.
• Bei dieser Störung lässt sich
Wirklichkeit, Traum oder Fantasie nicht mehr unterscheiden. Alles fließt
ineinander.
• Die wirklichen oder eingebildeten
Erlebnisse sind in einer Schizophrenie wie in viele kleine Scherben
zersplittert.
• Oft hört man Stimmen oder sogar
Befehle - aber niemand spricht tatsächlich, und es sind Einbildungen.
Es ist interessant und grausam zugleich, wie Erna Kronshage aufgrund individueller, familiärer, sozialer und institutioneller Umstände in eine Krise geraten ist, die nach der herrschenden nationalsozialistischer Ideologie biolog(ist)isch-eugenisch interpretiert wird und letztlich zu ihrer Ermordung führt. Die Gründe, warum sie in diese Krise kam, werden sich nicht endgültig klären lassen, aber es gibt ja ein paar Anhaltspunkte, die aber bei der Aufnahme und der Diagnosestellung vollkommen ausgeblendet werden.
Wie in der heutigen Zeit ein Mensch mit der Diagnose "Schizophrenie" seine Erkrankung beschreibt lesen Sie hier .... -
Es ist interessant und grausam zugleich, wie Erna Kronshage aufgrund individueller, familiärer, sozialer und institutioneller Umstände in eine Krise geraten ist, die nach der herrschenden nationalsozialistischer Ideologie biolog(ist)isch-eugenisch interpretiert wird und letztlich zu ihrer Ermordung führt. Die Gründe, warum sie in diese Krise kam, werden sich nicht endgültig klären lassen, aber es gibt ja ein paar Anhaltspunkte, die aber bei der Aufnahme und der Diagnosestellung vollkommen ausgeblendet werden.
Wie in der heutigen Zeit ein Mensch mit der Diagnose "Schizophrenie" seine Erkrankung beschreibt lesen Sie hier .... -
und hier
==============================================
"Aktivere Kranken-Behandlung" - die Beschäftigungs-Therapie
"Aktivere Kranken-Behandlung" - die Beschäftigungs-Therapie
Foto: coloriert | Privat-Archiv - Quelle: unbekannt |
In
Gütersloh gibt es Beschäftigungs-Angebote für die geistig verwirrten Menschen.
Von
solcher Arbeit und Beschäftigung verspricht man sich, dass die innere
Zerrissenheit wieder geordnet und innere Spannungen abgebaut werden.
Das
Herum-Grübeln und das Heimweh soll verhindert werden.
Erna
wird zum Kartoffel-Schälen und zur Arbeits-Kolonne in der Gärtnerei
abkommandiert – das kennt sie ja schon von Zuhause.
Foto: coloriert | Privat-Archiv - Quelle: erfweiler2.de |
================================================================
Cardiazol-Schock-Behandlung
Foto: coloriert | Privat-Archiv - Quelle: pharmakoteka |
Foto: welt.de |
Foto: Filmstill The Ward | avaxhome |
Zusätzlich
zum Beschäftgungs-Angebot werden zum inneren
Spannungsabbau bei Menschen mit Schizophrenie künstlich epileptische
Krampf-Anfälle ausgelöst.
Das
geschieht mit dem Mittel „Cardiazol“, das in die Arm-Beuge gespritzt
wird.
Zum
Schutz vor Zungen-Bissen wird eine Beiß-Rolle aus Verbandsmull zwischen die
Zähne gepfropft.
Zunächst
stellen sich starke Angst-Gefühle ein – und nach ein paar Minuten bricht der
Anfall mit Zuckungen, Verkrampfungen und einer tiefen Bewusstlosigkeit los.
Hinterher
fühlt sich Erna völlig matt und verwirrt und kann sich kaum mehr an irgend
etwas erinnern.
Nach
einigen Anfalls-Serien stellen sich anstelle irgendwelcher Besserungen eher
Horror-Empfindungen und eine panische Angst davor ein…
„Cardiazol-Schocks“ dienen deshalb im
Anstaltsalltag eher einer Bestrafung als der Entspannung …
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen